Teilprojekt B05

 

Digitaler Zwilling als Vermittler zwischen in-situ-Schadensdetektion und globaler Tragwerksanalyse

Wenn Bauwerke schon von Beginn an überwacht werden (Structural Health Monitoring, SHM), sind alle Informationen zu Schädigungsprognose verfügbar. Bei bestehenden Bauwerken ist dies im Allgemeinen nicht der Fall. SHM an realen Bauwerken zielt auf die Ermittlung von kritischen Details auf Basis von deterministischen oder probabilistischen Betrachtungen ab. Dabei werden überwiegend Messungen mit Dehnungsmessstreifen, Wegaufnehmern und Beschleunigungssensoren vorgenommen. Besonders bei deterministischer Betrachtung ist viel Erfahrung bei der Auswahl der Messstellen erforderlich. Außerdem muss eine gewisse Degradation des Bauteils eingetreten sein: Risse, Korrosion und Abplatzungen, damit diese bei visuellen Inspektionen erfasst werden können (s. Abbildung 1).

Die besondere Schwierigkeit bei der Entwicklung geeigneter Modelle zu Beschreibung des Bauwerkszustands ist, dass die Bauwerke in Hinblick auf Baustoffe, Bauweise, Tragkonstruktion, Beanspruchung, Alter und Zustand höchst unterschiedlich sind und einer permanenten Veränderung unterliegen. Daher sind die Informationen streuend, unsicher und/oder zudem hochgradig zeitveränderlich. Der Fortschritt der Schädigung bis zu einem kritischen Zustand kann jedoch mehrere Jahrzehnte dauern. Die Informationen, die über Jahre zu einem Bauwerk anfallen, haben bislang einen dezentralen Charakter. Die Verknüpfung ist bisher nicht zureichend, viele Aufgaben werden redundant durchgeführt, bereits gewonnene Erkenntnisse können übersehen werden. Die Verknüpfung könnte mit den Methoden des Building Information Modeling (BIM), das in den letzten Jahren einführt worden ist, vorgenommen werden. Bisher ist allerdings die besondere Anforderung des SHM nur in Ansätzen untersucht worden, eine vollständige Integration ist noch nicht erfolgt. Fragestellungen zum Umgang mit komplexen Messsystemen, die auf unterschiedlichen Skalen arbeiten, sind noch nicht ausreichend untersucht worden (s. Abbildung 1).

Deshalb ist es das Ziel dieses Forschungsvorhabens grundsätzliche Fragestellungen zur digitalen Verknüpfung von lokalen in-situ-Schädigungsdetektionsmethoden und konventionellem SHM über Digitalen Zwilling (Digital Twin, DT) zu untersuchen. Ausgehend von den Untersuchungen aus dem Flugzeugbau, soll das Konzept des dort etablierten Prinzips des DT, bestehend aus Komponenten mit reduzierter Ordnung für Brückenbauwerke adaptiert und erweitert werden (s. Abbildung 3). Die digitale Verknüpfung von SHM, in-situ-DIC Messungen und DT erfolgt über „optimal classification trees“ mit „hyperplane splits“ (OCT-H), um nachvollziehbares maschinelles Lernen sicherzustellen. Die besondere Herausforderung bei der Weiterentwicklung der Methode für das Bauwesen ist, dass die Schädigungsprozesse, die in Bauwerken zur Alterung und Abnutzung führen, physikalische und chemische Prozesse sind, die auf unterschiedlichen Skalen (Material-, Bauteil-, Bauwerksebene) erfasst werden müssen.

Im Zentrum des Forschungsvorhabens steht die Entwicklung einer baustoffübergreifenden und allgemeinen Methode zur Verknüpfung von in-situ-Messungen mit dem DT. Zu berücksichtigende Nebengebiete sind optimale Sensorplatzierung, nachvollziehbares maschinelles Lernen und online Bauwerksüberwachung.

 

Meinlenstein des Projekts:

Anwendung von physik-basierten Modell reduzierter Ordnung für die Tragwerksanalyse von Stahlbrücken

Zu Beginn des Projekts wurde die Anwendung von physik-basierten Simulationsmodellen reduzierter Ordnung (ROM) für (Stahl-)Brücken untersucht. Dabei wurden mit deutlich reduzierten Rechenzeiten vergleichbar genaue Ergebnisse zu etablierten Verfahren wie der Finite-Elemente-Methode erzielt. Aufbauend auf den initialen Erkenntnissen wurde eine Systematik zur Ableitung von ROM für Stahlbrücken entwickelt.

Verknüpfung von Monitoring-Daten und Simulationsmodellen mit nachvollziehbarem maschinellem Lernen

Um die Simulationsmodelle an Monitoring-Daten anzupassen und dadurch Schäden zu identifizieren, wurden neben klassischen mathematischen Optimierungsverfahren auch optimale Klassifikationsbäume aus dem Bereich des nachvollziehbaren maschinellen Lernens eingesetzt. Die Methodik wurde anhand von synthetischen Messdaten an einer real-maßstäblichen Brücke getestet, wobei auch hier eine Anwendung in Echtzeit möglich ist.

Schadensidentifikation an einer real-maßstäblichen Stahlbrücke

Die untersuchten Methoden wurden im Anschluss verwendet, um realitätsnahe Schäden basierend auf synthetischen Messdaten an einer realen Stahlbrücke zu identifizieren. Dabei zeigt sich, dass die Methodik grundsätzlich zur Detektion und Lokalisation auch von Schäden mit geringem Schadensausmaß geeignet ist.

Experimentelle Untersuchungen am Laborbauwerk

Derzeit werden experimentelle Versuche an Stahltragwerken im Labormaßstab vorbereitet und umgesetzt. Dazu werden Stahlbalken mit Ausschnitten zyklisch beansprucht und der Zustand des Bauwerks kontinuierlich durch ein umfangreiches Monitoring überwacht. Dies besteht unter anderem aus faseroptischen Sensoren, digitaler Bildkorrelation (DIC), Dehnungsmessstreifen, Risssensoren und Laserscanning. Die experimentellen Ergebnisse werden anschließend zur Validierung und Erweiterung der Methodik genutzt.

Publikationen

Peer-Reviewed Journal Paper

  1. Brenner, C.; Thiele, K.; Unglaub, J. (2024). A Hybrid Approach to Damage Identification for Steel Bridges with Discrete Cracks. In Structure and Infrastructure Engineering (accepted)

Konferenz und andere VÖ

  1. Brenner, C.; Thiele, K.; Unglaub, J.: A Reduced-Order Digital Twin for Structural Health Monitoring of Steel Bridges. IWSHM 2023 - 14th International Workshop on Structural Health Monitoring, September 12-14 2023, Stanford, USA.

  2. Brenner, C.; Thiele, K.; Unglaub, J.: Constraints of local stiffness adaption for reduced-order models of large-scale steel bridges. EWSHM 2024- 11th European Workshop on Structural Health Monitoring, September 10-13 2024, Potsdam, Gemany.

  3. Brenner, C.; Thiele, K.; Unglaub, J.: A data-driven approach for linking models of large-scale bridges and monitoring data. SMAR 2024- 7th International Conference on Smart Monitoring, Assessment and Rehabilitation of Civil Structures, September 4-6 2024, Salerno, Italy.

  4. Weiser, R.; Unglaub, J.; Thiele, K.: Vehicle classification using BiLSTM for predictive maintenance and Digital Twins. SMAR 2024- 7th International Conference on Smart Monitoring, Assessment and Rehabilitation of Civil Structures, September 4-6 2024, Salerno, Italy.

  5. Brenner, C.; Thiele, K.; Unglaub, J.: Comparative Analysis of Simulation Models for Digital Twins and Damage Identification on Bridges: A Steel Bridge case study using Strain Measurements. IWSHM 2025 - 15th International Workshop on Structural Health Monitoring, September 9-11 2025, Stanford, USA. (submitted)